Samstag, 11. Juli 2009

Rurrenabaque

7.7.2009. Puenktlich um sechs Uhr in der Frueh stehen wir am Militaerflughafen von La Paz. Es ist kalt. Eine Stewardess checkt unser Gepaeck ein, dann warten wir. Um zehn schliesslich, mit drei Stunden Verspaetung heben wir ab. Die Propellermaschine ruckelt ein wenig mehr als gewohnt aufgrund der kleinen Groesse, sonst ist alles beruhigend normal. Dann kommen die Berge in Sicht. Nicht etwa wie bei uns, wenn man ueber die Alpen fliegt, dass man weit unter sich schneebedeckte Berggipfel sieht. Scheinbar nur wenige hundert Meter unter uns tuermen sich gewalrige Bergruecken drohend auf. Nachdem wir die Berge passiert haben wird der Himmel unter uns bewoelkter, aber immer wieder sieht man jetzt Urwald, Jungle durchbltzen. Ein weite gruene Landschaft durchbrochen von braunen Fluessen, die sich meanderfoermig durch das Land schlaengeln. Die Landung verlaeuft reibungslos auf einer Erdpiste. Eigentlich gar nicht so anders als Asphalt, vielleicht ein bisschen rauher. Der Flughafen besteht aus einer groesseren Huette mit einem Schranken davor, hinter dem schon die naechsten Fluggaeste warten. Die Gangway hinunter und es empfaengt und eine warme, sehr feuchte Luft, die einem unmittelbar das Gefuehl gibt zu kleben und den Lamahaarpulli rasch ueberfluessig macht.
Ein Jeep bringt und in die nahe Kleinstadt Rurrenabaque. Mopeds flitzen an uns vorbei. Nach einigem Gustieren entscheiden wir uns fuer ein Quertier, dann lassen wir uns von den verschiedenen Agencies beraten und entscheiden uns schliesslich fuer eine dreitaegige Pampas-Tour bei Flecha-Travels.
Den Rest des Tages verbringen wir gemuetlich am Pool der zu einer Bar gehoert auf einem Huegel, von dem aus man die Stadt ueberblicken kann. Die Aussicht ist grandios, die Atmosphaere dekadent, die Cocktails gut, die Musik laut, aber auch nach meinem Geschmack. Israelische Musik. Offenbar haben wir uns in einen bei Israelis sehr beliebten Touristenort gesetzt. Auf jeden Fall bieten alle moeglichen Agencies und Restaurants spezielle Angebote fuer Israelis an. Wir die einzigen beiden "Anderen" in der Bar, ist es aber durchaus sehr sehr nett da oben. Nur die Fahrt hinauf und mehr dann noch wieder hinunter ist fuer mich eine Mutprobe: auf dem Motorrad hinter einem jungen Burschen sitzend, der die mit Steinen gespickte Schotterstrasse den Berg hinauf duest. Aaaahhhh...leider gibt es hier keine anderen Taxis und zu Fuss gehen kommt fuer mich leider nicht in Frage.

Am Abend schlendern wir noch ein bisschen durch den Ort und essen eine Kleinigkeit. Junkfood wie immer *seufz*. Am Strassenrand sitzen viele Leute und verkaufen geknuepfte Halsketten und Armbaender. Der Ort ist gemuetlich und erholsam.

Am naechsten Tag geht es meinem Bein wieder ein bisschen besser, was mich optimistisch stimmt. Wir machen uns auf zur Agentur. Am Weg kaufen wir bei einem verrueckten Amerikaner mit einem lustigen offenen Auto-Motorrad, auf dem er ein Gestell installiert hat, in dem er Kuchen zur Schau stellt, Brownies. Ueber dem Fahrgestell haengt eine Aufschrift "The daVinci Code is ridiculous." Darauf angesprochen packt er eine Verschwoerungstheorie aus, dernach die UNO daran arbeitet mittels erschaffener Viren (wie AIDS) die Menschheit auszurotten. Eine Theorie, die uns zusammen mit den fuenf Briten und der Irin noch die ganze Jeep-Fahrt richtung Pampas unterhaelt. Die Brownies allerdings sind wirklich die Besten die ich je gegessen habe.
Unsere Reisegemeinschaft ist bunt zusammengemixt und sehr sympathisch. Nathan und Dee, er aus GB und Buchhalter, sie aus Irland und Physiotherapeutin (super wegen meinem Bein!), Mike, Lear, Tom und Rose ebenfalls aus GB. Die Jeep-Fahrt begeistert mich. In einem flotten Tempo duesen wir eine braune Sand-Schotterposte entlang, die sich endlos vor uns und hinter uns ausstreckt. Neben der Strasse gelegentlich Kuehe und Indigene auf Pferden. Gauchos hier genannt? Glaube ich mal gehoert zu haben. Die Landschaft abwechselnd von dichtem Urwald gepraegt: Unterholz und Buesche bis zu drei Meter, darueber aufragend hoehere Baeume. Alles gruen. Dazwischen lange Ebenen, in denen nur vereinzelt Baeume aufragen. Immer wieder Palmen. Dazwischen kleine Siedlungen. Haeuser, die auf Stelzen stehen oder nur aus groben Pfeilern bestehen und daher rundherum offen sind und von einem Palmzweigedach vom Regen geschuetzt werden. Haengematten aus ausgedienten Gummireifen. Am fruehen Nachmittag erreichen wir Santa Rosa, von wi aus wir (mit den anderen Touristengruppen, die ebenfalls angekommen sind) in Boote umsteigen, die gerade noch von den vorherigen Touristengruppen geleert werden. Es ist strahlend sonnig und sehr warm. Das ganze Gepaeck wird in die flaschen und langen Kanus verladen, dann nehmen wir Platz. Es ist ein bisschen muehsam mit meinem Bein die steilen Uferboeschungen hinunterzukommen, aber es geht ganz gut. Dafuer sitz ich ganz vorne und kann das Bein ausstrecken und hab einen super Blick. Gleich von Beginn an liebe ich die Fahrt. Der Wind kuehlt angenehm, die Lichtstimmung ist herrlich strahlend. Der Fluss liegt braun vor uns und kaum sind wir um die erste Kurve nach der Anlegestelle gebogen sehen wir auch schon die ersten Tiere. Ein Schaudern, als wir nur einen knappen halben Meter bis an einen Alligator heranfahren, der am Ufer halb im Schlamm liegt und uns mit seinen gelben Augen misstrauisch beaeugt. Caimane, die schwarzen Krokos sind auch viele zu sehen. Alle paar Meter liegt ein Krokodil am Ufer uns sonnt sich. Als Zeichen der Entspannung liegen sie da herum, meist mit offenen Maeulern, sodass man schoen ihr Gebiss bewundern kann. Auf Aesten, die aus dem Wasser ragen sitzen haufenweise Schildkroeten in allen Groessen. Ganz kleine und ziemlich grosse. Voegel aller Art und in bunten Farben fliegen knapp ueber dem Wasser dahin oder sitzen stoisch auf den Aesten der Baeume, die das Ufer des schmalen Flusses kraenzen. Die Baeume selbst auch faszinierend. Lange schlanke fast weisse Aeste, viel Gruen. Dazwischen Luftwurzeln und Lianen, die zu Boden haengen. Etliche Baeume offensichtlich vom Blutz getroffen und nur noch verkohlte Stuempfe ragen schwarz in den Himmel. Auf den niedrigeren Bueschen und Straeuchern eine Vielzahl kleiner keckernder gelber Aeffchen, die als wir heranfahren und sie mit Bananen locken auf das Boot springen und uns kreischen die Bananen aus der Hand reissen (und sie auf meinem Kopf sitzend verspeisen). Im Wasser immer wieder leicht pink angehauchte "Pink-river-dolphines", die allethalben aus dem Wasser tauchen, schnauben und wieder verschwinden.
Am spaeten Nachmittag kommen wir bei den Lodges an. Das Steilufer hinaufklettern ist eine Herausforderung. Die Quartiere sind in etlichen am Gelaende verstreuten Haeusern untergebracht, die jeweils aus einem grossen Raum bestehen, in dem acht Betten stehen. Betten. Latten, die zusammengenagelt wurden und auf die man eine duenne Matratze gelegt hat. Bei meinem Bett fehlt eine Latte und ich haenge ein bisschen durch. Moskitonetze sollen vor Insekten schuetzen. Die Haeuser stehen auf Stelzen und sind durch Stege verbunden, die ebenfalls auf Stezen stehen und ein bisschen wackelig sind. Eine Indigenen-Familie verwaltet das ganze und ich muss die Schoenheit dieser Menschen bewundern. Sehr attraktive Leute!
Dann gibt es heissen (warum auch immer) Tee und Kakao, danach brechen wir auf zur Sunset-Bar, um von dort den Sonnenuntergang ueber dem Jungle zu geniessen. Meine Haut klebt und ich fuehl mich unwohl mit der massiven Ladung an Moskitocreme auf meiner Haut. Der Sonnenuntergang ist schon fast vorbei, als wir die auf wackeligen Stelzen errichtete Bar erreichen. Viele Touris haben sich versammelt und trinken teures kuehles Bier.
Nach der kurzen Tour gibt es in der Lodge ein super gutes und ausgiebiges Abendessen von Maria, unserer Koechin, die sehr lieb und um uns besorgt scheint. Danach gibts eine weitere Rundfahrt mit dem Boot in der Dunkelheit, um Alligatoren bei Nacht zu beobachten. Wenn man mit der Taschenlampe die Ufer ableuchtet kann man unzaehlige kleine helle Punkte aufblitzen sehen. Augen, die oftmals verschwinden, als ihre Besitzer lautlos ins Wasser gleiten. Choco unser Guide faengt dann ein winziges Krokodil und zeugt uns das arme Tierchen aus der Naehe. Die Augen koenen unter als auch ueber dem Wasser offen sein, weil die Tiere zwei Augenlider haben. Gluehwuermchen sausen durch die Luft und man sieht viele Sterne.

Am naechsten Tag bricht die Gruppe auf eine dreistuendige Tour durch die Pampa auf. Zu Fuss watet man durch die Sumpflandschaft um Anacondas aufzustoebern. Fuer mich ist das leider oder im Nachhinein Gott sei Dank nichts, ich schliesse mich einer anderen Gruppe an, die leider ausschliesslich aus Bolivianiern besteht, die keinen Pieps Englisch sprechen. Trotzdem verstehe ich erstaunlich viel. Leider ist es trotzdem ein bisschen langweilig. Wir fahren den Fluss aufwaerts. Es ist bewoelkt und ein Grossteil von dem regen Leben, das sich gstern im Sonnenschein abgespielt hat, scheint jetzt still zu stehen. Keine Krokodile und Schildkroeten an den Ufern, die sich sonnen lassen. Es ist ein bisschen kuehl. An einer Erweiterung des Flusses leben einige Delphine. Hier springt der Guide ins Wasser und motiviert und nachzukommen. Mit der Warnung nicht ins Wasser zu pinkeln, weil es biesartige Fische gibt, die dann die Harnroehre raufschwimmen. Das Wasser ist angenehm und erfrischend, v.a. nachdem ich mich immer noch total klebrig fuehle und die Dusche im Quartier nicht dazu einlaedt, sie zu benutzen (im selben Kaemmerchen wie das Klo auf 2m2). Die Delphine, mit denen man hier angeblich schwimmen kann, kommen aber nicht naeher als drei Meter und die Stroemung ist so stark, dass ich mit meinem Bein nicht wirklich schwimmen kann. Nach dem nassen Abenteuer werfen wir im selben Wasser (!) unsere Angeln aus, um Piranhas zu fischen. Leider nicht sehr erfolgreich. Die meisten nippen an dem Fleisch am Haken bis sie es schaffen, es zu loesen. Dann beginnt es zu regnen. Duenne feine Tropfen, die rasch alles durchnaessen.

Nach einem wie ueblich superguten Mittagessen von Maria breche ich diesmal wieder mit meiner eigenen Gruppe nochmals zum Piranhasfischen auf. Die Anderen sind ziemlich fertig. Sie haben keine Schlangen gefunden, sind aber durch knietiefen Sumpf gewatet und von Mosquitos zerstochen worden. Ich verzichte auf Moskitocreme, weil sie fuerchterlich klebt, aber offensichtlich schmecke ich den Insekten nicht, weil ich keinen einzigen Stich davontrage. Erstaunlicherweise verlaeuft das zweite Poranhasfischen sehr erfolgreich. Die meisten der Gruppe fangen mehr als einen Fisch, nur ich stelle mich zu bloed an. Als ich einmal einen wirklich grossen an der Angel habe, ziehe ich ihn vor Ueberraschung leicht verdaddert zu langsam ins Boot und er entkommt. Den Sonnenuntergang bestaunen wir diesmla von einer anderen Bar aus, die damit wirbt, dass es ein grosses Fussballfeld gibt, das die Jungs denn auch eifrig benutzen.

Die Fische verspeisen wir zum Abendessen. Viel ist nicht dran, selbst nicht an den groesseren, aber was dran ist, ist eigentlich ganz gut. Ziemlich mehlig in der Konsistenz, aber geschmacklich gut. Dann vertreiben wir uns die Zeit bis das Licht abgedreht wird mit einem Kartenspiel namens Shithead, das uns hervorragend die Zeit vertreibt.

Am naechsten Tag duerfen auch die anderen aus der Gruppe mit den Delphinen stehen (das Wasser ist aufgrund der Jahreszeit nicht sonderlich hoch. Keine zwei Meter). Dann gibt es ein letztes Mittagessen und dann brechen wir auch schon wieder richtung Santa Rosa auf. Wieder ist der Himmel bedeckt und es gibt wenig zu sehen. Als wir in Santa Rosa ankommen reisst der Himmel auf. Genug, dass es wieder unangenehm heiss wird, sodass die Warterei auf einen anderen Jeep fuer eine Familie, die sich uns angeschlossen hat, und die uns zwei Stunden mitten im Niergendwo wieder mal aufhaelt und verspaetet, zu einer zachen Quaelerei am Ende einer netten Reise wird. Kurz vor Rurrenabaque gibt es dann auch noch einen Stau. Es hat in den letzten Tagen offensichtlich viel geregnet und ein Bus ist im Schlamm stecken geblieben und kann nur mit Muehe befreit werden. Im Dunkeln kommen wir dann endlich in der Stadt an. Erleichtert stellen wir fest, dass unser Flug am naechsten Tag trotz des schlechten Wetters der letzten Tage fliegen soll. Nach einer ordetlichen Dusche fuehle ich mich auch wieder halbwegs zivilisiert und den Rest des Abends verbringen wir in der Monkey-Bar mit den anderen und feiern Abschied.

Die ganze Nacht ueber regnet es. Am Morgen fuerchten wir schon die Prognose. Und richtung. Der Flug wird gestrichen. Nach langem hin und her Ueberlegen entschliessen wir uns zu hoffen, dass er am naechsten Tag wirklich geht und verschieben den Flug. Eine Stunde spaeter beginnt es wild zu stuermen und Regen klatscht ihne Ende und mit Vehemenz gegen die Strassen. Mittlerweile ist der kleine Garten in unserm Hotel ueberflutet, Baeume liegen auf der Strasse, Buesche sind entwurzelt (klingt dramatischer als es ist) und die Aussicht auf den Flug morgen ist in den Keller gesunken. Auch die Alternative Bus (19h Horrorfahrt) ist nicht sehr verlockend, v.a. wenn man den Zustand der Strassen in bedacht zieht, dann ist es gar nicht soo wahrscheinlich, dass man mit dem Bus eher in La Paz ankommt. Letzte Alternative: Boot. Mal schauen. gerade eben ist Siesta, aber danach werden wir uns mal erkundigen. Meines Wissens nach dauert die Bootsfahrt aber drei tage, das heisst unser restliches Programm fuer Bolivien: Titticacasee, koennen wir vergessen. Scheisse. Mittlerweile reget es immer noch oder schon wieder und ich schreibe in einem Gott sei Dank noch funktionierenden Internetcafe Reisetagebuch. Habe ich mich gestern noch als Rueckkehrende in die Zivilisation gefuehlt, so fuehle ich mich jetzt am Arsch der Welt abgeschieden und ohne way back. Nicht gerade toll, das Gefuehl. Zum Glueck hab ich noch ein gutes Buch: Matt Ruff: Ich und die Anderen, aber auch das wird leider bald aus sein.
In guter Hoffnung...

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