Dienstag, 30. Juni 2009

Bolivien - erste Eindruecke

Ankunft in Uyuni. Die Haeuser sind verfallen, die Menschen wirken verhaermt. Der Bus hat uns zur Agency Estrella hier vor Ort gebracht und im Kollektiv mit den anderen (ausser den Franzosen, die sich wieder in ihre uebliche Reserviertheit zurueckgezogen haben) beschliessen wir, die Stadt noch heute zu verlassen. Es ist halb zwei. Um halb sieben gibt es einen Bus nach Potosi, der naechsten groesseren Stadt (ueber 100.000 Einwohner). Der Inhaber der Agency reserviert uns in Busticket und einen Platz im Hotel in Potosi. Dann lassen wir die Rucksaecke in der Agency und schlendern in die Stadt. Das Zentrum, das wir bisher nich gesehen haben, liefert einen anderen Eindruck als der Stadtrand. Belebt und bunt. Es ist Sonntag, mein 12ter Tag in Suedamerika. Das heisst hier Feiern und Markt. Auf der Hauptstrasse tummeln sich Standler, Marktschreier, Verkaeufer und viele viele Menschen. Auf erhoehten Podesten stehen Maenner und verscherbeln Lose um einen Boliviano. Zu gewinnen gibt es Gartenzwerge, Sparbuechsen und riesige Kuchen. Am Rand der Strasse sitzen vornehmliche aeltere Frauen, die stoisch und unbeeidruckt von dem wilden Treiben, alle moeglichen Essenssachen verkaufen, sowie Raeucherwerk und allen moeglichen Firlefanz und Krimskrams. Wir essen Lamafleisch und Riesenmais und bestaunen das Treiben. David laesst sich verleiten bei einem Spiel mitzumachen, bei dem es darum geht einen Eisenring an einer Schnur um eine Flasche zu legen. Um die Wette mit den anderen. Die froehliche Menge, die rundhrum steht und zuschaut, ist begeistert von dem riesigen auffallenden Touristen in ihrer Mitte, der sich anfangs noch so ungeschickt anstellt und dann gutgelaunt verliert. Wir lassen uns durch die Menge treiben, dann finden wir ein Internetcafe und verbringen so unsere Zeit bis zur Abfahrt.
Touristen werden hier ordentlich abgezockt. In den Laeden im Zentrum zahlt man als Tourist das dreifache von den Presen weiter am Rand der Stadt. Das merken wir, als wir uns noch ein wenig Proviant fuer die Reise zulegen. Gibt einem ein wenig ein ungutes Gefuehl und ein bisschen das vorsichte Gehabe von jemandem, der sich staendig ausgenommen fuehlt. Zumindest in den Zentren.

Der Bus ist ein Erlebnis fuer sich. Eingepfercht mit unseren kleinen Rucksaecken sitzen wir auf unseren Plaetzen. In den Gaengen draengen sich die Leute, die an jede Ecke einsteigen und aussteigen. Cumbia aus dem Radio. Kinder am Amaturenbrett schlafend. Kurzer Zwischenstopp. Baños (Klo). Ja, aber wo. In der dunkeln Hintergasse neben dem Bus.
Sechs Stunden spaeter kommen wir geraedert in Potosi an. Auch hier Muell auf den Strassen und klaeffende Hunde. Mit dem Taxi fahren wir inkl. Fahrer zu siebt in einem Auto zum Hotel. Gott sei Dank haben wir rserviert. Vor unseren Augen werden um 12Uhr Nachts zwei Maedels wieder fort geschickt. Der Schlafsaal ist auch nett. Sechsbettzimmer, weiche Btten, halbwegs warm, heisse Duschen. Koala den Hostel. Sehr empfehlenswert.

Nach einer wunderbar erholsamen Nacht (bis auf kurze Atemschwierigkeiten wieder mal wegen der Hoehenluft) gibt es ein super Fruehstueck mit Ananas und Bananen. Ein wenig komme ich dann zum Reisetagebuch schreiben, dann erkunden wir die Stadt. Ein belebes Zentrum, winzige Strassen, in denen sich Leute und Autos tummeln. Letztere hupen vor jeder Kreuzung, um zu verhindern, dass sie mit querenden Autos zusammen stossen. Viele Indigenas in ihren bunten Roecken, die knapp unter dem Knie enden und hinten kuerzer sind als vorne. Ihren bunten Tuechern um der Schulter, in denen viele von den Frauen Kinder ueber dem Ruecken tragen. Lustige melonenartige Huete am Kopf, darunter lange Doppelzoepfe, die den meisten bis zum Hintern reichen. Die Maenner einfacher gekleidet, die meisten mit Kapperln oder Sportgewand. Nike und Addidasverschnitte sieht man an jeder Ecke. Und Kinder. Wahnsinnig viele Kinder, alle mit riesigen Augen und offenen Muendern, in die sie meist irgndwas hineinstecken, sis den eigenen Finger.
Wir schlendern durch die Strassen. Im Zentrum gibt es einige Gebaeude im Kolonialstil, von den Spaniern dazumals erbaut, mit wunderschoen verzierten Fassaden. Wir steigen auf einen Turm, der ehemals zu einem Jesuitenkloster gehoerte und von dem aus man einen schoenen Blick ueber die Stadt hat. Auch andere schoene Kirchen zieern die Stadt, allesamt gut erhalten oder restauriert und mit schoen verzierten Fassaden. Auf den Strassen an jeder kleinen freien Stelle Frauen, die Essen oder Krimskrams anbieten. Oft auf kleinen Hockern, meist aber fuer Stunden auf dem Boden knieend, in bunte Decken gehuellt, mit Kindern am Schoss, die unglaublich ruhig alles mit sich ergehen lassen. Wir kommen durch einen Markt, wo von Gemuese, Eiern und Fleisch alles angeboten wird. Alles auf kleinstem Raum. Der Markt mit Lebensmitteln geht ueber in einen Markt, wo alles angeboten wird: von Haushaltsgegenstaenden, bis zum Schusterservice, bis zur Kleidung. Wir spazieren durch die engen Gassen und essen gebackene Teigtaschen. Eigentlich sehr lecker. Dann muessen wir uns auch schon auf den Weg zu unserer Agency machen, bei der wir fuer den Nachmittag eine Tour in die Silberminen gebucht haben, denen Potosi ihren Namen verdankt (bedeutet do viel wie explodieren). Schon die Spanier haben hier mit dem Abbau von Selber begonnen, der auch heute noch fortgesetzt wird. Mit einem Minibus werden wir und zwei argentinische Touristen auf den die Stadt ueberblickenden Berg gekarrt. In einer versteckten Behausung werden wir mit Helmen, Lampen, Hosen, Jacken und Stiefeln eingekleidet, dann fuehrt uns der sehr freundliche Guide, dessen Englisch aber leider trotz gegenteiliger Versicherungen der Agency furchtbar schlecht ist, zum Mineneingang, wo mich fast der Schlag trifft. Ein niedriges Loch mitten am Berg, aus dem wirr Kabel und Schlaeuche quellen. Am Boden Zentimetertief Wasser und Schlamm. Die Waende und Decken sind mit Holzbalken gestuetzt, die zT schon nachgeben unter dem Gewicht des Gesteins, das auf sie drueckt. Kurz bin ich am Ueberlegen, ob ich da wirklich hinein gehen soll, dann siegt die Neugier. Der Weg ist oft so niedrig, dass man gebueckt gehen muss. Es ist bis auf unsere Kopfleuchten stockdunkel. In einer Nische sitzt eine Steinfigur, die ueber und ueber mit Kokablaettern, Zigarretten und Alkoholflaeschchen gehaengt ist. Der Dio, so etwas wie der Waechtergott des Berges. Der Devil aus der christlichen Mythologie, den die Einheimischen zu ihrem Schutzpatron erklaert haben, der ihnen Zugang zum reinen Silber verschafft und deshalb mit purem Alkohol beschenkt wird (96%). Er hat einen riesigen Penis, der fuer Fruchtbarkeit steht und er belohnt die fleissig arbeitenden Minenarbeiter fuer ihre Muehe mit einem schoenen Leben nach dem Tod. Tatsaechlich sterben im Jahr ca 12 Minenarbeiter wegen Hoehleneinstuerzen. Sehr beruhigend auch fuer uns. Auf jeden Fall kann ich jetzt laut Guide sicher sein, kinderreich und mit einem fleissigen Mann (im Bett und in der Arbeit) beschenkt zu werden bzw zu sein, weil ich seinem Rat gefolgt bin und das riesige Geschlechtsteil des Dio gekuesst habe :D
Dann geht es tiefer in den Berg. Unheimlich und beengend. Vor einem Gang durch den man tatsaechlich kriechen musste, habe ich dann das Weitergehen verweigert. Dafuer geht es dann ueber Steige und Treppen weiter, bis wir nach einigem Suchen endlich auf einen Minenarbeiter treffen, den wir mit den mitgebrachen Geschenken (Koka, Zigaretten und Dynamit) begluecken. Die Minenarbeiter haben Schichten von 8h, sechs Tage die Woche. Sie muessen alle ihre Utensilien selber kaufen (Dynamit, Pressluft, Geraete) und werden pro Kilogramm silberhaltigem Gestein bezahlt. Je nach Qualitaet. Der Arbeiter, den wir treffen, arbeitet schon seit 15 Jahren in der Mine. Er ist verhaermt, zaeh und ausgemergelt. Spaeter treffen wir dann auch auf Kollegen, alle aehnlich. Erschreckend. Dennoch scheinen sie mit ihrem Leben irgendwo zufrieden.
Nach den Minen bin ich dann sehr sehr froh, heil wieder das Tageslicht zu erblicken. Zum Abschluss fuehren wir im Freien noch eine kleine Explosion durch, dann gehts heimwaerts richtung Potosi-Zentrum. Und da sitze ich nun, hungrig und erschoepft und schreibe Reisetagebuch :)
Und jetzt geh ich was Essen...bis bald...:)

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